Kommentare...

Brandmauer gegen Rechts und Links ... 

November 2023 als Leserbrief zum Kommentar von Michael Husarek vom 25.10.2023

 

Brandmauern sind im Handwerk „feuerbeständige Abgrenzungen“, um ein Gebäude vor dem Übergreifen der gefährdenden Flammen und schlimmstenfalls der Zerstörung zu schützen. Und in der Politik wird gerne gefordert, eine Brandmauer gegenüber den Ideologien und schlicht politischen Rattenfängern einzuziehen, die unsere Demokratie gefährden. Und gerne werden dann auch gleich zwei Brandmauern gefordert, eine nach rechts und eine nach links, wie es auch Michael Husarek formuliert.

Als Vertreter des KDM (Kompetenzzentrums für Demokratie und Menschenwürde) werde ich seit Jahren gefragt, ob ich mich genauso intensiv gegen Linksextremismus einsetze wie gegen Rechtsextremismus. Und meine Antwort ist stets: Ja, das tue ich ganz eindeutig! Und es gilt, auf beiden Augen wachsam zu bleiben! Nur sehe ich derzeit viele konzertierte Aktionen von rechts, ich sehe die gezielten Angriffe und die Aushöhlung des Rechtsstaats, die unverblümten Äußerungen, mit „dem System“ – von den „Altparteien“ bis zum „Ende der EU“ - aufzuräumen und die Demokratie zu kapern, um sie mindestens zu beschneiden, ich sehe die Zunahme rechtsextremer Gewalttaten (86% der antisemitischen Angriffe gehören zum rechten Lager lt. Bundespolizei), die Zunahme menschenverachtender Positionen (von Antisemitismus bis Rassismus und damit allen Spielarten der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit) und ich höre die Stimmen des obersten Verfassungsschützers, der Bundesinnenministerin wie auch ganz eindeutig des bayerischen Innenministers, die alle von der massiven Gefährdung von rechts sprechen.

Ja, es gibt viele Gefährdungen von links und der linke Antisemitismus ist ebenso abscheulich wie der von rechts. Es gibt Extremisten und vor allem Terroristen unterschiedlicher Motivation. Dagegen braucht es eine bessere Sicherheitspolitik, ein Überdenken der Zusammenarbeit mit Partner, die (in)direkt Terroristen (wie eben die genannte Hamas) unterstützen. Dagegen braucht es ein mutiges Einschreiten. Aber eine Brandmauer, die braucht es ganz eindeutig gegen rechts, denn von dort geht gegenwärtig die größte Gefährdung der Demokratie aus. Die Hufeisentheorie und damit eine Gleichsetzung von Gefahren von links und rechts bergen die Gefahr, sie zu relativieren. Und eine Brandmauer ist dringend nötig – die Flammen und Gefährdungen sind schon erschreckend genug. 

 

Siegfried Grillmeyer, Akademie CPH





(K)eine Wahlempfehlung

September 2023 zur Landtagswahl


Was Evangelium und Wahlentscheidungen miteinander zu tun haben


„Verwählt Euch nicht“, sagte unser Vater Ende der 1980er Jahre zu uns Kindern, als meine Geschwister und später auch ich zum ersten Mal wählen gehen durften. Mir hat diese Formulierung bereits damals sehr gefallen. Denn zum einen war es ein klares Bekenntnis: Man geht wählen! Das stand völlig außer Frage. Das Recht zu wählen war ganz selbstverständlich auch eine Pflicht, um damit seine Stimme einer Partei zu geben, die für die kommenden Jahre das politische Leben entscheiden sollte.

Und zum anderen war mit einem gewissen Augenzwinkern klar, dass wir möglicherweise unter dieser „richtigen Wahl“ etwas Unterschiedliches meinen konnten. Letztlich blieb es eben unsere Gewissensentscheidung. Und der Rahmen war auch gesetzt, in dem die politischen Positionen zu prüfen waren. Nicht zuletzt ging man zumeist gleich nach dem Sonntagsgottesdienst von der Kirche in das gegenüberliegende Rathaus, in dem die Wahlurnen aufgestellt waren.


Eindeutige Aussagen im Evangelium

Nun ist das Evangelium kein politisches Manifest und es enthält auch keine Wahlempfehlung. Und natürlich gibt es Aussagen und Botschaften, die unterschiedlich interpretiert werden können. Aber es gibt auch Eindeutiges.

Wenn jeder Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen ist, dann ist damit ganz eindeutig jede und jeder gemeint und es gibt keine Ausnahme und Unterschiede. Und dann ist das diametral entgegengesetzt der damaligen Aussage im AFD-Wahlprogramm, wenn es dort hieß „Wir treten für ein differenziertes Menschenbild ein.“

Wenn als Handlungsmaxime gefordert wird, „Liebe Deinen Nächsten“, dann ist damit nicht der Nächststehende, der Verwandte oder die Gruppe und Landsmannschaft bzw. Nation gemeint, sondern der Mensch, den ich mit meinem Handeln erreichen kann, für den ich – wie Kain für seinen Bruder Abel – verantwortlich bin, damit auch er „ein Leben in Fülle“ haben kann.


Wenn es heißt, „Der Nächste ist der, der die Barmherzigkeit an ihm tat“, dann wird im Gleichnis vom Samariter nochmals klargestellt, um was es geht: Jede Form der Ausgrenzung, Abschottung durch elitäres und rassistisches Gedankengut widerspricht diesem Geist des Evangeliums, das für Solidarität und Liebe (von der Nächstenliebe bis zur Feindesliebe) einsteht und aufruft zum Mitgestalten des Reiches Gottes, das geprägt ist von „Gerechtigkeit und Frieden“.

Das Gleichnis vom Samariter ist dabei ganz wunderbar und bleibt eben offen. Denn wir wissen nicht, wie es weiter ging mit dem misshandelten Mann, der unter die Räuber gefallen war. Wurde er gesund, blieb er noch in der Herberge? Kümmerte sich der barmherzige Samariter nicht nur um diesen Mann, sondern suchte nach Lösungen für sichere Straßen, zur Eindämmung der Gefahren durch Räuber? Oder ging es nicht weiter, kam er vielleicht nicht zurück, um weiter zu helfen, wie er es versprochen hatte? Viele Lösungen sind denkbar und das Evangelium bietet auch an dieser Stelle keine einfachen Lösungen, aber die Grundlinien sind klar und stecken die roten Linien ab.


Rote Linien werden überschritten

Im politischen Getriebe werden derzeit diese roten Linien überschritten. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein hauptamtlicher Bürgermeister aus den Reihen der AFD gewählt werden, dann spricht man vom demokratischen Willen, den dadurch geschaffenen Notwendigkeiten der Zusammenarbeit und des unumgänglichen Dialogs und der Einbeziehung – und man übersieht, dass diese Partei in ihren Grundlinien menschenfeindlich, ausgrenzend, rassistisch und antidemokratisch spricht und handelt. Und diese roten Linien scheinen immer weniger deutlich erkennbar zu sein, gerade bei den kommenden Wahlen.

Daher möchte ich heute ganz laut und deutlich ausrufen: „Verwählt Euch nicht!“ Und vor allem möchte ich alle ermuntern, dass jede und jeder in seinem Umkreis dies auch den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zuruft: „Geht wählen und verwählt Euch nicht!“

„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung“

August 2023 zur Haushaltsdebatte

Die kontinuierlichen Kürzungen der finanziellen Mittel im Bildungsbereich gefährden die Demokratie

Seit den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992 haben sich die politischen Auseinandersetzungen und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft weiter verschärft. Doch trotz der dringenden Notwendigkeit, Bildung als präventives Mittel gegen Hass und Gewalt einzusetzen, werden die finanziellen Mittel für politische Bildungsprojekte kontinuierlich gekürzt – zuletzt im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung. Ein Kommentar von Siegfried Grillmeyer:


Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich kurz nach der deutschen Wiedervereinigung zum ersten Mal die Formulierung und damit Forderung gehört, dass politische Bildung keine Feuerwehr sein dürfe. Ausgangspunkt waren die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992. Rechtsextreme Randalierer steckten aus einer rassistischen und fremdenfeindlichen Motivation heraus ein Wohnheim in Brand – und dies unter dem Applaus von rund 3000 Zuschauern. Ein Sonderprojekt und damit beachtliche Fördermittel wurden bald darauf zur Verfügung gestellt. Politische und historische Bildung sollten auf Dauer mögliche Brutstätten von Hass und Gewalt bekämpfen.

Aber leider war Rostock nur die erste unter vielen Ausschreitungen und tödlichen Übergriffen, die in den kommenden Jahren folgen sollten und die damalige „Asyldebatte“ nur der Beginn einer Verrohung der politischen Diskussionskultur.

Immer wieder wurde politische Bildung durch immense Fördermittel als Feuerwehr eingesetzt. Während einzelne Projekte – wie jüngst unter dem Titel „Demokratie Leben“ – für jeweils begrenzte und oftmals sehr kurze Zeit finanziell gut ausgestattet werden, wurden gleichzeitig Bildungseinrichtungen geschlossen und bangen zivilgesellschaftliche Akteure von (Förder-)Jahr zu Jahr um ihre Fortexistenz.

Das Sterben von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wie auch der Erwachsenenbildung geht erschreckend weiter, ob nun im kommunalen, im staatlichen Bereich oder bei den Kirchen, Gewerkschaften, parteinahen Initiativen oder ganz allgemein zivilgesellschaftlichen Projekten.


Zuspitzung durch den Bundeshaushalt 2024

Ein Höhepunkt dieser dramatischen Zuspitzung wird nun mit dem Haushaltsentwurf 2024 der Bundesregierung erreicht. Demnach soll der Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) und damit das zentrale Förderinstrument zur Finanzierung der bundesweiten Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit, um 44,6 Millionen Euro bzw. um 18,6 Prozent gekürzt werden. Zusätzlich soll der Förderhaushalt für Träger der politischen Bildung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um weitere 4,2 Mio. Euro gekürzt werden, das sind rund 24 Prozent des Fördervolumens.

Die Bundesregierung hat ihren Entwurf für den Bundeshaushalt am 5. Juli 2023 vorgelegt. Manche waren da schon real, andere vielleicht in Gedanken bereits in den Ferien. Denn der große Aufschrei blieb landesweit aus.

Vielleicht hatte man an vielen Orten auch einfach resigniert den Kopf geschüttelt, dass man im Angesicht der Gefährdungen der Demokratie gerade die strukturelle Förderung der Bildung massiv kürzen will. Und niemand scheint sich an die in Sonntagreden gern zitierte Aussage des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy zu erinnern, der es auf den Punkt brachte: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

Ob mir persönlich nun das Bild von der politischen Bildung als Feuerwehr gefällt oder nicht, so sehe ich doch derzeit viele Brandgefahren und auch ganz reale politische Schwelbrände, die sich zu einem unkontrollierbaren Flächenbrand ausweiten können. Und auf Dauer hilft da keine Feuerwehr.